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Dialoge

Schreibtischtäter > Literarisches Schreiben > Textgestaltung

Die hohe Kunst, gute Dialoge und Sinnliche, Dramatische Prosa zu schreiben:

"Hallo“, sagte Joe zu Mary.

Mary sah von dem Buch auf, dass sie gerade las.
Hallo“, sagte sie.

Joe trat nervös von einem Fuß auf den anderen.

Er war überzeugt, dass jeder in der Schul-Cafeteria zu ihm hinsah. „Was machst du?“ fragte er.

„Lesen.
„Oh. Was?“

„Moby Dick.“
Lohnt sich dass?“

Ist nur `ne Geschichte von `nem Fisch.“

Joe setzt sich. Er fuhr sich mit einem Finger unter den Hemdkragen, um den Schweiß wegzuwischen, der ihm den Hals hinunter lief.

Ah, ich muss dich was fragen“, sagt er.

Ich höre.


Äh, bist du schon für den Ball mit jemand verabredet?“

Ich will gar nicht hingehen.

Mensch, da gehen doch alle hin. Hast du Lust, mit mir zu gehen?“

Hmmm. Ich denk drüber nach, okay?


Denk nicht nach, tu`s einfach! Ich kriege den Wagen von meinen Vater. Und Geld habe ich jede menge dabei.

Klingt nicht schlecht.

Wir können vorher in Benny`s Pizza Palace essen gehen.


Also gut.


Rein formal betrachtet ist die Szene dramatisch: sie hat einen zentralen Konflikt, weil entgegengesetzten Wünsche aufeinanderstoßen (er will mit ihr zum Ball; sie hat keine richtige Lust), sie entwickelt sich zu einem Höhepunkt; und die Figuren sind aufeinander abgestimmt. Trotzdem ist sie stinklangweilig. Warum? Zunächst einmal ist der Dialog völlig uninspiriert. Er ist direkt. Direkter Dialog drückt genau das aus, was im Kopf der Figur vor sich geht, ohne dass sie den geringsten Versuch macht, zu zögern, Ausflüchte oder einen Witz zu machen, zu lügen usw. Guter Dialog drückt den Willen der Figur indirekt aus. Schau dir mal dieselbe Szene an, wenn sie im indirekten Dialog geschrieben ist.
Ich muss mich hier hinsetzen, das ist mein Job“, sagte Joe.
Oh?“ sagte Mary und sah von dem Buch auf, dass sie gerade las.

Ja, die Schule zahlt mir anderthalb Dollar die Stunde, wenn ich in der Cafeteria lerne und ein gutes

Beispiel gebe.

Setzt dich, wohin du willst, das ist eine freies Land.


Joe lächelt sie an und sagte: „Ich kenne deine Zukunft.“

Wie willst du das denn machen?

Ich kann Tarot-Karten lesen.

Da glaube ich nicht daran. Wir sind Unitarier.


Joe nahm die Karten aus seiner Tasche und mischte sie. Er dreht die erste um und sagte: „Du wirst um acht Uhr heute Abend in einem grünen Chevy Nova abgeholt.“
Tatsächlich?“
Der überaus gutaussehende junge Mann am Steuer wird ein weißes Dinnerjacket mit einem Kummerbund tragen.“
Was du nicht sagst.


Er wird dich zu dem Ball ausgerechnet dieser Schule hier mitnehmen.


Wow, all das steht in den Karten?


Das und mehr.“ Er steckte die Karten wieder ein. „Ich will dir nicht die ganze Überraschung verderben.“
„Heißt das, du möchtest mit mir dahin?“

Würdest du mitkommen?
Alles steht in den Karten, oder? Dann solltest du das auch wissen.

Weil Joe indirekt vorgeht, macht er einen deutlich interessanteren, einen unverwechselbaren Eindruck. Eine mit maximaler Kapazität agierende Figur wird im Gespräch klug, lebhaft und indirekt vorgehen. Wenn Du im Fernsehen Situationskomödien sehen, wirst Du fast nur direkten Dialog zu hören bekommen. Das ist einer der Gründe, weshalb Du sie so langweilig findest.
Romane sind in drei Erzählformen geschrieben: Erzählung, Szene und Halbszene.

In der Erzählung berichtet der Erzählung von Handlungen, zeigt die Entwicklung von Figuren und führt innere Konflikte vor, tut das aber vorwiegend summarisch. Madame Bovary ist fast ausschließlich in diesem Modus erzählt:

Charles wusste darauf keine Antwort. Er verehrte seine Mutter und liebt seine Frau von ganzem Herzen. Was die eine sagte, galt ihm für unfehlbar, und an der anderen fand er nichts auszusetzen. War dann Madame Bovary wieder abgereist, versuchte er wohl schüchtern die eine oder andere der harmlosesten Aussetzungen, die er von nochmals vorzubringen. Emma aber bewies ihm klipp und klar, dass er im Irrtum sei, und riet ihm, sich lieber seinen Kranken zu widmen. Allerdings wollte sie sich, gemäß den Theorien, die ihr einleuchteten, zur Liebe in Stimmung bringen. Bei Mondenschein sagte sie im Garten alles an leidenschaftlichen erfüllten Versen auf, was sie auswendig wusste, und sang ihm unter Seufzern schwermütig getragene Weisen vor. Aber sie fühlte sich nachher ebenso ruhig wir zuvor, und Charles war sichtlich weder verliebter noch sonderliche ausgewühlt. Als sie auf diese Weise vergeblich versucht hatte, einen Funken aus ihrem Herzen zu schlagen, und da sie außerdem unfähig war, etwas zu begreifen, was sie nicht selbst empfand, oder auch an etwas zu glauben, was sich nicht in herkömmlichen Formen äußerte, redete sie sich ohne weiteres ein, Charles` Liebesbeweise hatten etwas Gemäßig tief. Seine Liebesbeweise hatten etwas Geregeltes bekommen; er umarmte sie zu bestimmten Stunden. Es war ein vorgesehener Nachtisch nach einem eintönigen und ewiggleichen Mahl
In einer Szene schildert der Erzähler die Handlungen natürlich so, wie sie stattfinden. Hier ein Bespiel:

Bei Abendessen fand ihr Gatte, sie sehe gut aus. Doch als er sich nach ihrem Spazierritt erkundigte tat sie, als hörte sie nichts, und blieb mit aufgestützten Ellbogen vor ihrem Teller zwischen den beiden brennenden Kerzen sitzen.

Emma!“ sagt er.

Hör zu, ich bin heute Nachmittag bei Herrn Alexandre vorbeigegangen. Er hat eine junge Stute zu verkaufen, ein noch recht schönes Tier, nur ein bisschen kahl an den Knien. Ich könnte sie bestimmt für hundert Taler bekommen.

Nach einer Weile fuhr er fort: ich dachte sogar, du würdest dich darüber freuen, und habe das Pferd für mich zurückstellen lassen … ich habe es gekauft … Sag, es ist dir doch recht?“
Sie nickte zum Zeichen ihres Einverständnisses. Ein Viertelstunde später fragte sie: „Gehst du noch aus?“

Ach, nur so, mein Lieber.


Kaum war sie Charles losgeworden, ging sie in ihr Zimmer hinauf und schloss sich ein.
Zunächst überkam es sie wie ein Betäubung. Sie sah die Bäume, die Wege und Gräben, Rodolphe vor sich, fühlte immer noch, wie er sie in seinen Armen hielt, während das Laub rauschte und der Wind durch die Binsen strich.
Als sie sich dann über im Spiegel sah, staunte sie über ihr Gesicht. Noch nie hatte sie so schwarze, so große, so unergründliche Augen gehabt. Etwas Vergeistigtes lag über ihrem ganzen Wesen und verschönte es.

Immer wieder sagte sie sich: Ich habe einen Geliebten! Einen Geliebten! Und diese Vorstellung beseligt sie … Eine Habszene ist eine Erzählung, unterbrochen und durchsetzt szenischer Darstellung:
Zu Michaeli war Charles für drei Tage noch Les Bertaux gekommen. Der letzte Tag war vergangen wie die beiden anderen; er hatte es von einer Viertelstunde zur anderen hinausgeschoben. Der alte Rouault gab ihm das Geleit. Sie gingen durch einen Hohlweg; nicht mehr lange, und sie mussten sich trennen. Jetzt war der Augenblick gekommen! Charles gab sich noch eine Frist bist zur Biegung der Hecke, und als sie daran vorbei waren, sagte er endlich leise: „Herr Rouault, ich möchte ihnen etwas sagen.“

Sie blieben stehen. Charles schwieg.

Also heraus mit der Sprache! Ich weiß ja sowieso schon alles!“ erwitterte der alte Rouault mit einem gemütlichen Lachen.

Vater Rouault … Vater Rouault“, stammelte Charles.

Mir soll`s recht sein“, fuhr der Pachtbauer fort. „Zwar glaub ich bestimmt, dass die Kleine meiner Ansicht ist; aber fragen müssen wir sie doch noch. Reiten Sie also nach Hause, und ich gehe auch heim. Wenn sie sagt – verstehen Sie mich recht! – dann brauchen Sie nicht zurückzukommen, wegen der Leute, und zudem würde es sie zu sehr aufregen. Damit Sie aber nicht zappelig werden, will ich den großen Gensterladen gegen die Mauer weit aufstoßen. Sie können es von dort hinten sehen, wenn Sie sich über die Hecke beugen.“

Damit entfernte er sich.

Charles band sein Pferd an einen Baum, lief dann zu den bezeichneten Fußweg und wartete dort. Eine halbe Stunde verging, dann zählte er weitere neunzehn Minuten auf seiner Uhr. Plötzlich hörte er einen Schlag gegen die Mauer. Der Laden war aufgeklappt worden, die Sperrklinke zitterte noch.
Am nächsten Morgen war er schon um neun Uhr auf dem Gut. Emma wurde über und über rot, als er hereinkam, obwohl sie ihre Verlegenheit hinter einem gezwungenen Lachen zu verbergen suchte. Der alte Rouault umarmte seinen künftigen Schwiegersohn. Die Besprechung der geschäftlichen Fragen, die zu regeln waren, wurde auf später verschoben. Man hatte dazu übrigens noch Zeit genug; die Hochzeit konnte anstandshalber ja doch nicht vor Ablauf von Charles` Trauerjahr, dass heißt erst in nächsten Frühling, stattfinden.


Der Winter verging in dieser Erwartung

Spannendes Schreiben erfordert eine Steigerung des Konflikts. Das gilt nicht nur die spannende Geschichte insgesamt, sondern ebenso für jede einzelne Szene darin, egal, ob sie nun in einer Erzählpassage summarisch behandelt wird oder ausführlicher in einer Szene oder Halbszene.

Eine Szene, die einen sich entwickelnden Konflikt enthält, muss notwendig eine Art Höhepunkt und eine Auflösung haben, auch, wenn der Konflikt in die nachfolgenden Szenen hineingetragen wird. Der zentrale Konflikt einer Szene muss nicht mit dem zentralen Konflikt des Romans identisch sein. Der zentrale Konflikt eines Romans kann sich zwischen einem Mann und seiner Frau abspielen; die Szene, mit der Roman beginnt, beispielsweise einen Konflikt zwischen dem Mann und seinem Chef enthalten, der dazu führt, dass er gefeuert wird, ein Vorfall, der seinerseits den zentralen Konflikt des Romans beeinflusst.


Die folgende Situation hat man schon oft gelesen: Ein Kriminalbeamter trifft am Tatort eines Mordes ein und spricht mit dem Gerichtsmediziner:

Lieutenant Fisk hielt vor dem Haus in der Vermont Street und stieg aus seinem Wagen. Er ging die Stufen zur Haustür hoch und klingelte. Einen Augenblick später öffnete das Hausmädchen die Tür und führte den Lieutenant in den Wintergarten an der Rückseite des Hauses, wo der Gerichtsmediziner wartete. Der Gerichtsmediziner stellte sich als Herman Trippet vor, und beide Männer gaben sich die Hand.
Wo ist die Leiche?“ fragte Lieutenant Fisk.

Gleich hier drüben“, sagte Trippet. Er war ein großer schwerer Mann mit einem kleinen dunklen Schnurrbart.
Das Mädchen entfernte sich.

Trippet zeigte dem Lieutenant die Stelle hinter der Couch, wo die Leiche unter einem weißen Tuch lag.
Lassen Sie mal sehen“ sagte Fisk.

Ist kein schöner Anblick.

Trippet zog die Lagen zurück und enthüllte die Leiche einer Frau Anfang dreißig. Ihr war die Kehle durchgeschnitten worden.

Wie lange ist sie tot?“ fragte Fisk.
Zwei, vielleicht drei Stunden.“

Anzeichen für einen Kampf?“

Nein.“
Okay, wann können Sie mir ihren ausführlichen Bericht gegeben?“

Morgen früh gegen acht liegt er auf ihrem Schreibtisch.“
Fisk sagte: „Haben Sie die Tatwaffe gefunden?“
Nein.“
Ist die Spurensicherung unterwegs?“

Die sollte Sie die Leiche hier liegen, bis sie da sind. Ich rede mit dem Mädchen.
Gut, Lieutenant.



In dieser erbärmlich geschriebenen Szene gibt es keinen Konflikt nichts, was nicht schon hundertmal so oder so ähnlich gelesen hätte; die Figuren sind stereotyp. Die Szene könnte aus einer dieser Polizeiserien im Fernsehen stammen. Hinzukommt, dass sie keine Farbe und kein Pep hat. Schau dir zuerst mal an, was es ausmacht, wenn man die Szene mit etwas Konflikt versieht. Fang da an, wo der Leutnante den Wintergarten betritt:


Ich heiße Fisk“, sagte der Lieutenant. Er machte sich nicht die Mühe, dem jungen Mann die Hand hinzuhalten.

Trippet“, sagte Trippet.

Sie sind neu?“ fragte Fisk.

Ich bin schon einige Zeit dabei.“

Und wieso habe ich Sie noch nie gesehen?“

Ich war die meiste Zeit draußen im Valley.“

Trotzdem müsste ich von ihnen gehört haben, wenn Sie gut wären.“

Das bin ich.“

Der Lieutenant wandet sich dem Mädchen zu.

Falls ich Sie brauche, lasse ich Sie rufen, Schätzchen.“

Das Mädchen nickte und verließ das Zimmer.

Wo ist die Leiche, Trippet?“

Hinter der Couch.“

Der Lieutenant sah hinter die Couch.

Haben Sie sie so gefunden?“ Mit dem Laken drüber?“

Das mit dem Laken war ich.“

Ich mag das nicht, wenn am Tatort irgendetwas verändert wird. Nehmen Sie das Laken weg.“

Trippet entfernte das Laken, und der Lieutenant sah sich die Wunde am Hals der Toten an.

Was ist mir der Todeszeit, Trippet?

Ich würde sagen, vor zwei bis drei Stunden.“

Der Leutnante machte sich eine Zigarette an.

Haben Sie nicht gesagt, dass Sie gut sind.“

Morgen früh kann ich ihnen sagen, was sie zum Frühstück hatte und wann sie das letzte Mal auf dem Klo war.“

Okay, Trippet, da freue ich mich drauf. Das tu ich besonders gern, mich auf was freuen. Wo zum Teufel bleiben die Kerle von der Spurensicherung?“

Gerufen hat man sie, mehr weiß ich auch nicht.

Melden Sie sich über Funk und sagen Sie, ich gebe ihnen fünf Minuten. Wenn sie dann nicht hier sind, gibt es echt Ärger.

Okay.“

Die Moral von dieser Geschichte: Guter Dialog sollte konfliktreich, indirekt, farbig und geistreich sein. Und was tun Sie, falls deine das nicht ist? Liest Du mal weiter.


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