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Still und Still

Schreibtischtäter > Literarisches Schreiben > Sprachgestaltung

Es wäre aber ein Missverständnis zu glauben, die Qualität von Stil lassen sich nur nach positiven und negativen Eigenschaften bewerten. Gerade wer nach der Angemessenheit fragt, benötigt andere Beurteilungskriterien. Denn wann sollten beispielsweise Holprigkeit oder Unverständlichkeit angemessen sein? Natürlich ist das nicht ausgeschlossen; so kann beispielsweise ein Schreiber die Lust ankommen, spielerisch und experimentell mit der Sprache umzugehen möglichst holprig und unverständlich zu schreiben. Den Normalfall bildet das aber nicht. Und umgekehrt ist die Feststellung, Glätte und Verständlichkeit seien angemessen, nicht sehr erhellend. Schließlich kann ja alles wie die Qualität von Stil befördert, nur angemessen sein. Anders verhält es sich dagegen bei Einschätzungen wie schlicht oder raffiniert, nüchtern und sachlich oder emotional, auffällig oder unauffällig, persönlich oder unpersönlich, zurückhaltend oder aggressiv, konventionell oder originell, abstrakt oder konkret. Hier ist es vernünftig zu sagen, für den einen Schreibanlass ist es angemessen, nüchtern und sachlich zu schreiben, während es für einen anderen angemessen ist, emotional zu schreiben. Und selbst beim selben Schreibanlass, aber bei unterschiedlichen Adressaten kann für die einen Nüchternheit und die andern Emotionalität angemessen sein. Wie man sieht, in die Angemessenheit selbst keine fixe Größe, sie bemisst sich vielmehr an unterschiedlichen Kriterien: Wie schreibt man zu einem solchen Anlas üblicherweise? Was erwartet der Adressat von einem bestimmten Schreiber? Was glaubt der Schreiber, wie er sein Schreibziel beim Adressaten am besten erreichen kann?


Die Gestalt des Textes - Still als Eigenschaft

Das Gestalten ist also immer im Spiel, wenn Menschen Texte schreiben, Häuser bauen, Mode kreieren oder ihr Leben führen. Dementsprechend ist es auch immer möglich, im Hinblick auf diese und andere Aktivitäten und ihre Ergebnisse von Still zu sprechen. Daran ändert auch die Beobachtung nichts, dass vieles von dem, was Menschen tagtäglich tun, ganz unauffällig ist, sodass kaum jemand auf die Idee kommt, der besonderen stilistischen Qualität zuzumessen. Doch du solltest da nicht täuschen. Denn plötzlich um unerwartet verspürt man gelegentlich ein Bedürfnis, den Stil und etwas zu preisen, was gewöhnlich gar nicht unter stilitistischen Aspekt betrachtet wird - zum Bespiel die Art, wie jemand sein Frühstück zu essen pflegt oder seine Schuhe schnürt.


Die Wiederkehr des Gleichen - Die Konventionalität von Still

Stil ist eine merkwürdige Erscheinung. Er soll auf den besonderen Eigenschaften beruhen, die für uns den sprachlichen Charakter von Texten ausmachen. Wie steht es dann aber beispielsweise mit den Zeitungsartikeln, die du beim Frühstück liest oder nur überfliegst? Sind die etwa stillos? An ihren nehmen wir noch gar nichts Besonderes wahr, was die sprachliche Gestalt betrifft. Ja, wir achten überhaupt nicht auf diese, und wenn doch einmal, dann bemerken wir allenfalls, dass du dem Widerbegegnen, was du schon tausendmal vorgesetzt bekommen hast. Etwas Besonderes scheint das nicht zu sein. Aber vielleicht doch etwas Charakteristisches?


Die persönliche Note - Die Individualität von Still

Neben der Eigenschaft konventionell zu sein, hat Stil die weitere Eigenschaft individuell zu sein. Das scheint ein Widerspruch, ist aber keiner. Denn einem Text können wir beides zugleich antreffen: die Spuren eines konventionellen Stils und der stilistischen Eigenheiten einer Person. Wir sind ja keine Schreibautomaten, bei denen lediglich der Kopf "Pressestil" oder "Wissenschaftsstil" gedrückt werden muss, und schon erzeugst du das Gewünschte. Tatsächlich schreibst du immer als Individuum. Das gilt auch, wenn du beispielsweise im Namen einer Institution, einer Firma oder einer Behörde schreibst. Im Unterschied zum Privatbrief wirst du in diesen Fällen allerdings unsere persönlichen Vorlieben und Eigenheiten weitgehend unterdrücken. Dennoch fließen sie in den Text mit ein. Deshalb kann ein getrübter aus vorformulierten Textbausteinen zusammengefügt ist. Trotz aller Individualität, die deinen Text steckt, schreiben die wenigsten einen ausgeprägten Individualstill erwartest du vor allem von Dichtern und Romanciers, auch wenn er nicht auf diese beschränkt; du sagst dann das ist der Ton von Heine oder typisch Fontane oder das klingt noch Grass. Dennoch kann die eine oder andere Eigenheit unseren persönlichen Schreibstil so stark prägen, dass ein damit vertrauter Leser in der Lage ist zu sagen: Das ist ein Brief, wie ihn nur Frau Friedrich schreibt. Natürlich macht uns das noch lange nicht zu Dichtern, aber zu unverwechselbaren Schreiberpersönlichkeiten.


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