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Die Tyannie der Prämisse

Schreibtischtäter > Literarisches Schreiben > Textgestaltung

Die Tyrannei der Prämisse, oder: eine Geschichte ohne Prämisse zu schreiben ist, als wolle man ein Boot ohne Riemen rudern


Was ist eine Prämisse?

Denken Dir eine Prämisse als die Liebe in einer Ehe. Denken Dir eine Prämisse als das Abrakadabra, das das Kaninchen in den Zylinder steckt.

Sie ist all das und mehr.

Sie ist der Grund dafür, dass du schreibst, was du schreibst. Sie ist der strittige Punkt, den du beweisen musst. Sie ist der Kern, das Herz, das Zentrum, die Seele all dessen, was Du zum Ausdruck bringst.


Organische Einheit und wie sie erreicht wird

Jeder guter Roman besitzt Form, egal wie modern oder surrealistisch er ist. Tatsächlich liegt der besondere Wert des Romans gegenüber der unbearbeiteten Wahrnehmung darin, dass dem Leben ein erkennbares Muster oder ein Bedeutung gibt. Das ist frustrierend, chaotisch, unlogisch, launenhaft und die meiste Zeit offensichtlich sinnlos; voll von nutzlosem Leiden, Schmerzen, Tragödien. Doch der Mensch als vernunftbegabtes und idealistisches Wesen sehnt sich nach Ordnung, Planmäßigkeit und der Befriedigung individueller Möglichkeiten. Er kann sich bei seiner Suche nach einer Antwort auf das Rätsel des Lebens der Religion, der Philosophie, der Lyrik oder dem Roman zuwenden. Wenn er sich dem Roman zuwendet, dann will er eine Art organischen Aufbau, Sinn und Struktur sehen.

Diese Umbildung geht so vor sich, dass die lebhaften empfundene Hauptsache in ihrer die Menschenseele fesselnden, rührenden oder erschütternden Bedeutung aufgefasst, von allem zufällig daran Hängenden losgelöst und mit einzelnen ergänzenden Erfindungen in einen einheitlichen Kausalnexus gebracht wird. Die neue Einheit, welche dadurch entsteht, ist die Idee des Dramas. Sie wird der Mittelpunkt, an welchen weitere freie Erfindung in Strahlen anschießt, sie wirkt mit ähnlicher Gewalt, wie die geheimnisvolle Kraft der Kristallisation


Definition der Prämisse

Wenn Du bei einer Diskussion die These vertreten wollten: „Hunde sind bessere Haustüre als Katzen“, wie würden Du dabei vorgehen? Du würdest argumentieren, dass Hunde freundlicher sind, besser erziehbar, liebenswürdiger, angenehmer usw. Du würdest alles Gute aufführen, was sich über Hunde sagen ließe, und alles Schlechte über Katzen. Selbst wenn Du irgendetwas Gutes über Katzen wüsstest, würdest Du es nicht erwähnen, weil es deine These zuwiderliefe. Die Prämisse eines Arguments besteht im Behaupten des Ergebnisses, das durch die Argumentation muss zu der Prämisse betragen, wenn sie ihren Zweck erreichen soll.

Wenn Du vorhättest, ein polemisches Sachbuch zu einem kontroversen Thema zu schreiben, würdest Du ähnlich vorgehen, wie bei einer einfachen Diskussion. Dein Buch würde im Grunde eine ausführliche Argumentation sein. Du hättest eine Prämisse zu beweisen; diese Prämisse wäre das Ergebnis, zu dem Dein Buch kommt.


Wie Du deine Prämisse findest

Der ursprüngliche Anstoß zu einer Geschichte kann alles sein. Ein Gefühl. Ein Bild. Eine vage Erinnerung an ein tolles Mädchen, mit dem Du auf deiner Schulabschlussfeier fast getanzt hättest. Oder es könnte jemand sein, den Du mal in einem Bus getroffen haben, oder ihr alter Onkel Wilmont, der zu viel getrunken hat. Es könnte ein „was wäre, wenn“ sein. Was wäre, wenn ein Marsmensch Präsident würde? Was, wenn eine Stadtstreicherin eine Million fände? Was, wenn ein hervorragender Schwimme querschnittsgelähmt würde? Die ursprüngliche Idee braucht nicht anderes zu sein, als das undeutliche Gefühl, dass eine Geschichte aus einer Figur, einer Situation, einer Vorstellung gemacht werden kann. Wenn Du eine Geschichte schreiben willst, pickst Du die Idee heraus, die dir am besten gefällt.

Also fängst Du mit Onkel Wilmont an, obwohl Du noch gar nicht genau weist, was Du über ihn sagen oder ihn tun lassen wollen.


Was Du immer an Onkel Wilmont in Erstaunen versetzt hat: Er ist ein Geizhals. Er liebt Geld. Angenommen, ein Betrüger taucht auf und will Sumpfgelände in Florida andrehen. Würde er darauf reinfallen? Vielleicht. Onkel Wilmont ist geldgierig. Sie beschließen, mit einer Grobskizze zu beginnen und zu sehen, was passiert. Sie haben zwar noch kein Prämisse, aber den ersten Teil: „Geldgier führt zu…“

Dein nächster Schritt besteht darin, sich zu überlegen, wie das Ende aussehen könnte. Sie sähen gern, dass Onkel Wilmont eine Lektion erteilt würde, aber das wäre nicht realistisch. Onkel Wilmont war schon immer geldgierig, aber es musste nie dafür bezahlen. Nein, irgendwie würde Onkel Wilmont die Situation zu seinem Vorteil wenden. Er würde am Ende Gewinner dastehen. Was gewinnt er? Reichtum? Geistiger Werte? Liebe? Sie möchte dass diese Geschichte etwas Besonderes ist. Also lass deine Phantasie spielen.


Die drei Variablen der Prämisse

Es gibt zwar kein Patentrezept dafür, wie man Prämissen aufbaut, aber Egri zufolge sollte jede gute Prämisse einen Aspekt der Hauptfigur enthalten, der durch einen Konflikt zu einer Lösung führt. Ein Feigling zieht in den Krieg und wird ein Held. Ein tapferer Mann nimmt an einer Schlacht teil und wird ein Feigling.

Wenn Du deine Prämisse formulierst, vergiss Du diese drei Variablen nicht: Hauptfigur, Konflikt, Lösung. Eine spannende Geschichte besteht in der Verwaltung der Hauptfigur durch eine Krise; die Prämisse ist eine knappe Zusammenfassung dieser Verwandlung.

Du willst vielleicht wissen, ob es zulässig ist, eine Prämisse zu verwenden, die schon einmal verwendet worden ist. Natürlich. Prämissen sind nicht urheberrechtlich geschützt.


Prämisse und Selektion

Selektion – auszuwählen, was in einem Roman gehört und was nicht – ist ein wichtiger Teil der Arbeit des Schriftstellers. Er macht es richtig, wenn er Szenen, Schilderungen, Figuren und Dialoge auslässt, die für die Geschichte entbehrlich sind.


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