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Die drei wichtigsten Regeln für eine spannende Geschichte: Konflikt! Konflikt! Konflikt!



Wie und warum Konflikte entstehen: eine Figur Lebendig mache


Stellen dir vor, drei Soldaten auf Patrouille kommen an einen kalten Bach, den sie überqueren müssen. Es ist November, und es weht ein kalter Wind. Kein guter Tag zum Waten. Der Sergeant gewährt ihnen eine Pause von zehn Minuten. Ein Soldat watet durch den Bach und ruht sich auf der anderen Seite aus, weil er es lieber hinter sich bringen möchte. Ein anderer Soldat beschließt die Pausenzeit zu benutzen, um stromaufwärts zu seiner seichteren Stelle gehen, verzichtet damit zwar auf die Ruhepause, aber erspart sich zumindest einen Teil des kalten Wassers. Der Sergeant ruht sich am diesseitigen Ufer des Baches aus und wartet bis zum Ende der Pause, um ihn zu überqueren.


Die Wahl, die diese Männer jeweils getroffen haben, ist nicht sehr bedeutsam, doch die Art, wie sie mit dem Problem umgehen, charakterisiert sie. Der ein zieht es vor, das Unangenehme hinter sich zu bringen, ein anderer macht einen Umweg, um das Unangenehme zu vermeiden, und der dritte zögert das Unangenehme so lange wie möglich hinaus. Die Reaktion einer Figur auf dem Hindernisse, Schranken und Konflikte verleiht ihr individuelle Züge, erhärte ihrer Charakterisierung und macht sie in der Vorstellung des Lesers wirklich und unverwechselbar.


Betrachte dir nun folgende Szene, bei deren Abfassung alle Mühe darauf verwendet wurde, dich zum Einschlafe zu bringen.



„Guten Morgen“ sagte er schläfrig.


„Guten Morgen“ antwortete sie.


„Ist das Frühstück fertig?“


„Nein. Was möchtest du essen?“


Er überlegt. „Wie war`s mit Eiern mit Schicken?“


„Okay? „ sagte sie freundlich. „Wie möchtest du die Eier?“


„Spiegeleier.“


„Okey-dokey. Tost? Ich habe ein Honigweizenbrot. Das gibt einen wunderbaren Tost.“


Ich werde ihn probieren“


„Okey-dokey. Wie möchtest du den Toast?“


„Goldbraun.“

„Marmelade?“

Er setzte sich nun las die Zeitung, während sie das Frühstück machte.

„Gibt’s irgendwas in der Zeitung?“ fragte sie, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.


„Die Red Sox haben gestern Abend verloren.“


„So ein Pech.“


„Jetzt sind die in der Tabelle auf den achten Platz abgerutscht.“


„Schrecklich. Was machst du heute?“


„Ich weis nicht, ich hab’s noch nicht darüber nachgedacht. Was ist mit dir?“


„Der Rasen muss gemäht werden.“


„Das mach ich“


„Wenn du den Rasen gemäht hast, lass uns in den Park gehen und ein Picknick machen.“
„Okay….“



Was empfindest du bei Lesen dieser Szene? Bestimmt Langeweile. Die Szene scheint zwar halbwegs realistisch zu sein, doch die Figuren sind flach, langweilig und leblos, weil es keinen Konflikt gibt.



Konflikt entsteht, wenn die Wünsche einer Figur auf Widerstand treffen – aus der Natur, von anderen Figuren, aus der Geisterwelt, aus dem Weltraum, aus einer anderen Dimension, aus der Figur selbst, von irgendwoher. Wir erkennen, wer die Figuren sind, an der Art, wie sie auf solchen Widerstand reagieren; ein nicht Handlung, interessieren die Leser am meisten. Erst die Figuren machen eine Handlung bedeutsam. Eine Geschichte ist ein Kampf. Wie eine Figur kämpft, zeigt uns, wer sie ist.


Betrachte du nun die folgende Szene, in der die beiden Figuren nicht nur miteinander reden, sondern auch keinen Konflikt austragen:



„Fröhliche Weihnachten. Oheim! Gott segne Sie! Ries eine muntere Stimme.
„Pah!“ rief Scrooge, „Humbug!“


„Wie, Oheim, Weihnachten eine Humbug?“ rief Scrooges Neffe, „das ist doch sicherlich nicht ihr Ernst?“
„Ganz mein Ernst“, sagte Scrooge. „Fröhliche Weihnachten! Was für ein Recht hast du, fröhlich zu sein? Was für einen Grund hast du, zufrieden zu sein? Du bist doch arm genug.“
„Ei, Oheim!“ sagte der Neffe munter, „was für ein Recht haben Sie, verdrossen zu sein? Was für einen Grund haben Sie, mürrisch zu sein? Sie sind doch reich genug!“


„Pah!“ sagte Scrooge wiederum. „Humbug!“


„Nicht ärgern, Oheim!“ sagte der Neffe.


„Was soll ich den tun“ entgegnete der Oheim, „solange ich in einer solchen Welt voll Narren leben? Fröhlich Weihnachten! Zum Henker mit den fröhlichen Weihnachten! Was ist Weihnachten denn schon anders als eine Zeit, da man ohne Geld in der Tasche Rechnungen bezahlen soll? Eine Zeit, da man sich um ein Jahr älter und um deine Bücher Bilanz machen musst und jeden Posten in allen zwölf Monaten des Jahres als Soll zu spüren bekommt? Wenn er nach mit ginge“, sagte er entrüstet,“ müsste jeder Dummkopf, der mit der „Fröhliche Weihnachten“ mit Mund Herumläuft, mit seinem eigenen Pudding gekocht und mit einem Stechpalmenzweig durchs Herz begraben werden!“


"Oheim!“ flehte der Neffe.


"Neffe!“ erwiderte der Oheim böse, „feiere Weinachten auf deine Weise und lass mich`s auf meine feiern.“
„So feiern Sie`s! Aber sie tun`s ja doch nicht!“


„Das überlass nur mir….“



Während Scrooge und sein Neffen jeweils auf ihrem Standpunkt beharren, und den anderen umzustimmen, wird ihr eigener Charakter enthüllt. Wir erkennen, dass Scrooge ein Knauseriger Geldsack ist, sein Neffe dagegen ein Art fröhlicher Tunichtgut.


Ein Konflikt zwischen Figuren findet stets in der Form Beharren verus Widerstand statt. Die Geister wollen Scrooge erleuchten; Scrooge will nicht erleuchtet werden. McMurphy will die Station befreien; die Große Schwester tut ihr Bestes, um den Status quo zu erhalten. Humbert Humbert will Lolita haben; Lolita versucht, von ihm wegzukommen. Der alte Mann will den großen Fisch einholen; der große Fisch will lieber im Meer bleiben.

Wenn Figuren unterschiedliche Ziele haben und entschlossen sind, dieses zu erreichen, entsteht Konflikt.



Die Oppositionellen Kräfte ausgleichen


Niemand wird dafür bezahlen, Muhammad Ali gegen einen verkrüppelten Zwerg kämpfen zu sehen. Niemand würde sich einen Trickfilm angucken, in dem Popeye den schwachen Pechvogel Wimpy zusammenschlägt. Es kann kein Wettstreit, kein Kampf, keine Geschichte ohne ebenbürtige Gegner geben. Wimpy würde für Popeye keinerlei Herausforderung darstellen; er würde weder Popeyes Erfindungsreichtum und Geschicklichkeit herausfordern, noch seine Entschlossenheit und seinen Mut. Popeye wird erst richtig auf die Probe gestellt, wenn er einem fast ebenbürtigen Gegner gegenübersteht, nämlich Bluto.



Das Bindungsprinzip oder: wie du Figuren im Schmelztiegel halten


Die Figuren bleiben immer denn im Schmelztiegel, wenn ihre Motivation, den Konflikt fortzusetzen, größter ist als ihre Motivation, von dem Konflikt davonzulaufen. Du merkst, dass es ihnen nicht gelungen ist, deine Figuren in den Schmelztiegel zu stecken, wenn dein Leser anfängt Fragen zu stellen wie: „Warum geht der Ritter nicht einfach ins Haus und vergisst, dass er den Drachen erschlagen wollte?“ Oder: „Wenn Lillian Harold nicht mag, warum fährt Sie dann nicht mit Mortimer nach Hoboken?“



Mal angenommen, Du willst einen Roman über einen Mann schreiben, der seinen Job hasst, die tobenden Kunden wollen alle ihren Auftrag gestern erledigt haben, der Chef ist verrückt, die Bezahlung furchtbar und das Büro voller Zigarrenqualm. Die erste Frage des Lesers ist: warum kündigt der Mann nicht? Deshalb muss die Figur an ihren Job gebunden sein. Sie müssen aus dem Büro einen Schmelztitel machen; andernfalls gibt es keine Geschichte. Vielleicht muss der Mann zehn Kinder ernähren und könnte niemals einen Job finden, der so gut bezahlt ist wie dieser. Da haben Sie den Schmelztiegel: Notwendigkeit.



Der innere Konflikt und seine Notwendigkeit


Wenn der Wille einer Figur auf ein Hindernis stößt, das in der Figur selbst liegt, also wenn beispielsweise Pflicht mit Angst kollidiert, Liebe mit Schuld, Ehrgeiz mit Gewissen usw., dann hast du einen inneren Konflikt. Figuren leiden nicht ebenso wie reale Menschen an inneren Konflikten. Reale Menschen schwanken oft in ihren Entscheidungen. Von Unentschlossenheit gequält, haben sie Schuldgefühle, Ängste, Bedenken, Zweifel, Skrupel und ähnliches. Das alles sind Anzeichen für einen inneren Konflikt. Innere Konflikt machen Figuren nicht nur interessant, sondern wirklich unvergesslich für den Leser. Wenn sich ein Leser gut in eine Figur hineinversetzen kann, liegt das daran, dass die Figur einem starken inneren Konflikt austrägt, dann ist Mitleid die einzige Gefühlsreaktion, die der Autor von Leser erwarten kann.


Wenn deine Figur keinen inneren Konflikt austrägt, wird dein Buch zum Melodram. Der innere Konflikt zeit an, dass die Figuren engagiert sind, dass für sie etwas auf dem Spiel steht. Nehmen wir an, Du hast vor, eine Geschichte über einen Mann zu schreiben, der heiraten will. Er umwirbt eine Frau, sie sträubt sich. Sie es ihm nicht leicht, aber schließlich sagt sie doch ja. Das ist der Kern der Geschichte.

Bei einem inneren Konflikt muss es nicht um starke Gegensätze oder weltbewegende Probleme gehen. Du musst nur in der Vorstellung der betroffenen Figuren groß sein. Der eine macht sich bittere Selbstvorwürfe, weil er ein paar Cents gestohlen hat, während ein anderer eine Million Dollar stiehlt und keine Augenblick stiehlt, enthält mehr Spannungselemente, weil der Diebstahl für ihn der Verlust von Integrität, Ehre Selbstachtung bedeutet, als die Geschichte von dem Millionen-Dollar-Dieb, dem die moralischen Konsequenzen seiner Tat gleichgültig sind.


Den inneren Konflikt der Figuren effektvoll zu nutzen ist einen knifflige Angelegenheit. Wenn dein Protagonist in den Krieg ziehen soll, sorge Du dafür, dass ihn das aus einem triftigen Grund widerstrebt. Er könnte Pazifist, er könnte ein Feigling sein, er könnte die Politik seines Landes ablehnen. Wenn sie ihr Protagonist in eine irische Katholikin verliebt, sollte er ein englischer Protestant sein. Wenn Du den Patriotismus eines Mannes auf die Probe stellen willst, musst Du sicher sein, dass Patriotismus für ihn wichtig ist.



Formen des dramatischen Konflikts: statisch, sprunghaft und sich entwickelnd


Unter statischen Konflikten versteht man alle dramatischen Konflikte, die sich nicht verändern. Figuren, die sich nicht verändern. Figuren, die Artilleriegeschlose aufeinander abschießen, sind zwar in einen heftigen Konflikt verwickelt, doch dieser bleibt konstant auf derselben Stufe stehen.

Wenn die Konflikte statisch werden, läuft der Roman auf Grund. Wie Egri feststellt, hören Figuren, ie sich in einem statischen Konflikt befinden, auf, sich zu entwickeln. Die schüchterne Figur bleibt schüchtern, die mutige mutig: die Schwachen bleiben schwach, die Starken stark. Nichts langweilt den Leser so sehr wie ein statischer Konflikt, es sei denn, es gäbe überhaupt keinen Konflikt.


Sprunghafte Konflikte springen von einer Intensitätsebene zu anderen, ohne ausreichende Motivation und ohne Übergangsstadien. So könnte beispielsweise eine Figur hasserfüllt und äußerst heftig reagieren, wenn ein Ausdruck von Zorn eher angebracht wäre. Sprunghafte Konflikte findet man sehr häufig in billigen Melodramen. Mal sind die Figuren liebevoll und zärtlich, im nächsten Augenblick wütend, dann versöhnlich usw. Dem Leser wird dann schwindlig.



In den besten und packendsten Romanen entwickeln sich die Konflikte allmählich. Im Konflikt enthüllt sich der Charakter einer Figur. Ein sich entwickelnder Konflikt wird mehr Charakter einer Figur. Ein sich entwickelnder Konflikt wird mehr charakterliche Aspekte zum Vorschein bringen als ein sprunghafter oder ein statischer Konflikt, weil sie die Figuren in jedem Stadium des Konflikts unterschiedliche verhalten werden. Indem die Figur auf einen sich entwickelten Konflikt reagiert, verändert sich sie sich und zeigt sich von allen Seiten.



Die Genres, die Schubfächer der Literatur

Jede spannende Geschichte hat einen zentralen Konflikt. Wenn Du eine Geschichte liest und Dich jemand später fragt, worum es darin geht, wird der Hochgeschwindigkeits-Computer in deinem Schädel eine kurze Analyse aller Konflikte in der Geschichte vornehmen, da ist deine Antwort. Es geht um ein Schiffsunglück, sagst Du, der Untergang der Titanic.


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