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Stilitische Entscheidung

Schreibtischtäter > Literarisches Schreiben > Sprachgestaltung

Die Literatur zum guten Deutsch ist unüberschaubar, wie der merkt, der auf diesem Feld auch ein wenig herum schnuppert. Die Reihe namhafter Autoren zu diesem Thema beginnt bei A wie Adelung mit seiner Abhandlung Über den Deutschen Stil von 1785 und ist über zweihundert Jahre später noch nicht bei Z angelangt. Wer sich zum guten Deutsch äußert, fängt also nicht bei null an, sondern blickt auf eine lange Tradition zurück, der sich auch auseinander zu setzten hat.

Vieles von dem, was in zweihundert Jahren zum Thema geschrieben wurde, gehört heute zum allgemeinen Wissen. Manches verlangt dagegen nach kritischer Diskussion, die zu führen zu den Aufgaben der Sprach- und Literaturwissenschaft zählt das allgemeine Wissen von guten Still und die Ergebnisse der wissenschaftlichen Diskussion sind die Neufassung von „Wie schreibt man gutes Deutsch? eingeflossen. Die Darstellung ist also der vielfältigen Literatur zum guten Deutsch wie der theoretischen Reflexion zum angemessenen Sprachgebrauch verpflichtet.


Die stilistische Entscheidung

Wie jede Sprache ist auch das Deutsche überreich an sprachlichen Mitteln. Auf dieser Fülle greifen wir heraus, was uns für die Gestaltung unserer Texte angemessen erscheint. Bei der Auswahl lassen wir uns leiden von den Ansprüchen, die der konkrete Schreibanlass stellt. Weiterhin orientieren wir uns allgemeinen Stillprinzipien, die den unterschiedlichen Anforderungen entsprechen, denen wir beim Schreiben gerecht werden müssen. Das ist nicht immer einfach. Nicht umsonst gibt es eine umfangreichen und vielfältigen Ratgebern fänden sie Patentrezepte, denen wir blind folgen könnten. Denn eines nehmen uns die Ratgeber nicht ab: Die stilistische Entscheidung müssen wir in jedem Falle selbst treffen und verantworten.


Sprachlicher Reichtum


Voraussetzung für stilistische Vielfalt

Die deutsche Sprache ist kein einheitliche Gebilde, sondern vielfältig in sich differenziert. So kennen wir allen neben der hochdeutschen Standartsprache regionale Umgangssprachen und Mundarten; viele sprechen sogar Umgangssprache und Mundart. Bei genauerem Hinsehen erweist sich auch die hochdeutsche Standardsprache keineswegs als einheitlich, denn es lässt sich zwischen einem geschriebenen und einem gesprochenen Standard unterscheiden. Und blicken wir auf die geschriebene Standartsprache, so lehrt uns der Alltag, dass ganz unterschiedlich geschrieben wird. Behörden schicken uns staubtrockene Schreiben, Versandhäuser und andere auf Umsatz bedachte Unternehmen locken uns mit flott formulierten Angeboten zum Kauf. Und selbst wenn es nur um eine Postkarten aus dem Urlaub geht, dann sehen sie die an enge Freunde adressierten anders aus als die an die Chefin oder den Chef.

Eigentlich müsste uns das beim Schreiben ständig Probleme bereiten, doch erstaunlicherweise kommen wir damit ganz gut zurecht, zumindest solange wir uns auf die eingespielten Schreibroutinen verlassen und ohne weiter nachzudenken Wort an Wort und Satz an Satz fügen. Beim routinierten Schreiben ergeben sich die Sätze scheinbar wie von selbst und setzen sich zu einem Text zusammen. Wollen wir aber an unserem Still arbeiten, dann dürfen wir uns auf diese Art von Routine nicht mehr verlassen. Denn Arbeit im Still bedeutet, bewusst schreiben.


Zeit, Energie und Frust

Der Preis für gutes Deutsch

Sich um gutes Deutsch zu bemühen, heißt, Formulierungsalternativen aufzuprobieren. Wir prüfen sie sorgfältig und entscheiden uns schließlich für eine von ihnen. Das bedeutet zuerst einmal, dass wir uns für das Schreiben Zeit nehmen müssen. Weiterhin müssen wir lernen, Distanz zu unserem Text zu gewinnen. Wer schreibt, sollte auch sein erster Textes erkennt und bereits ist, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Wer sich nicht von seinen Formulierungen trennen kann, weil er in sie verliebt ist, oder gar glaubt, als sei Gold, was er schreibt, der hat schon verloren. Nicht umsonst lautet eine Kernaussage der Schreibforschung Wirting ist rewriting - Schreiben verlangt zu überarbeiten: wenn nicht sogar neu zu schreiben. Vielen fehlt schlicht ein Bewusstsein dafür, dass Schreiben ein zeitaufwendigen Geschäft sein.


Das ist kein Vorwurf, denn niemand hat uns dieses Bewusstsein vermittelt – ganz im Gegenteil, wir haben von früh an nur die Erfahrung gemacht, dass Schreiben unter Zeitdruck erfolgt. Obwohl wir alle in der Schule Lesen und Schreiben gelernt haben, uns in die verschiedenen Aufsatzformen eingeübt haben und in Klassenarbeiten zeigen mussten, dass wir sie beherrschen, eines haben wir im Schreibunterricht nicht erfahren, ja konnten es sogar nicht erfahren, eben das Schreiben Zeit kostet.

Natürlich bietet uns unser Schreiballtag diesen Freiraum nur selten; vor allem beim beruflichen Schreiben stehen wir gewöhnlich unter Zeitdruck und können erst zur Feder greifen, wenn sich in den Schreibaufgaben eine Lücke ergibt. Da ist es ein Trost, dass viele Spielte Weisen erledigen; schließlich ist nicht jedes Schreiben auch Alltagsroutine manchmal nach ein wenig Muße, um in Ruhe noch besseres Wort zu finden. Dass muss ja nicht gleich dazu führen, dass man ununterbrochen um Formulierungen ringen wie beispielsweise Faust bei seinem Vorhaben, das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche zu übertragen.



Stilistische und Bedeutungsunterschiede

Fausts Ringen um die richtige Übersetzung lehrt uns noch ein Weiteres. Er verwirft ja die verschiedenen Alternativen nicht, weil ihm die Wörter Wort, Sinn und Kraft nicht gefallen oder gar schlechtes Deutsch ist. Vielmehr sucht er nach dem treffenden Ausdruck. Wie die Überlegungen Fausts zu den einzelnen Alternativen zeigen, ist für ihn diese Suche kein Selbstzweck, sondern nativen zeigen, ist für ihn diese Suche kein Selbstzweck, sondern sie ist zugleich eine Suche danach, wie der Sinn des griechisches Originals am besten wiederzugeben ist. Seine Überlegungen zur Wortwahl haben also etwas mit dem Inhalt zu tun; mehr noch, das, was er sagen will, steht in einem unauflöslichen Zusammenhang mit dem Wörtern, deren er sich bedient. Verallgemeinernd heißt dass: Veränderst du den sprachlichen Ausdruck, so veränderst gleichzeitig den Sinn des Textes. Das ist selbstverständlich kein überraschender Befund, vielleicht ist er sogar schlicht trivial. Schließlich weiß doch jeder, dass mit dem Wort Hund. Und welch Unterschied es macht, wenn jemand sag „Halten sie ihren Hund zurück! “ oder „Halten sie ihren Köter zurück“, wissen wir auch.



Die Angemessenheit des Sprachgebrauchs

Kehren wir nach diesem Ausflug zu den Auswirkungen, die mit der stilistischen Wahl verbunden sind, noch einmal zum Reichtum unserer Sprach zurück. So erfreulich, ja beglückend eine solche Fülle auch erscheinen mag, sie könnte auch bedrohlich wirken. Das wäre der Fall, wenn du die sprachliche Mitte als einen riesigen Haufen zu denken hätten, aus dem wir das jeweils Geeignete mühsam herausklauben müssen, fast so wie aus dem Heuhaufen die Stecknadel. Du solltest doch jedoch von einer solchen Vorstellung nicht lähmen lassen, denn sie geht völlig in die falsche Richtung. Erstens fängt jeder, der sich um gutes Deutsch bemüht; nicht null an. Er hat vielmehr eine Menge schreib Erfahrungen; und was noch wichtiger ist, er hat ein Gespür für seinen eigenen Sprachgebrauch, denn sonst hätte er nicht das Bedürfnis, an ihm zu arbeiten. Beides Erfahrungen und Gespür bilden eine gute Basis für die weitere Arbeit.


Zweitens bildet die sprachliche Mittel nicht einfach einen wilden Haufen, sondern unsere Sprache ist in sich geordnet. Sicherlich dürfen wir sie uns nicht vorstellen wie eine Apotheke, deren Wände aus ordentlich beschrifteten Schubladen bestehen, denen wir das Benötige einfach entnehmen können. Etwas kompliziert ist die Sprache schon, denn ihre Ordnung erschließt sich keineswegs auf den ersten Blick und außerdem weist sie Brüche und Verwerfung auf.


Unsere Sprache hält eine große Zahl solcher Konventionen für Texte zu dem unterschiedlichen Schreibanlässen bereit. Wer solche Textmuster oder Textsorgen, wie man diese Konventionen in der Sprachwissenschaft nennt, beherrscht, der ist auf dem Weg zum guten Deutsch schon ein erhebliches Stück vorangekommen, ja hat unter Umständen das Ziel schon erreicht. Wer sich um gutes Deutsch bemüht, für den stellt sich damit eine klare Aufgabe: Er sollte die Textmuster für die verschiedenen Schreibanlässe einüben, mit denen er es zu tun hat. An die Anleitung zum guten Deutsch stellt sich dann eine ebenso klare Forderung: Sie muss die Textmuster mit all ihren Eigenschaften und Besonderheiten von dem Ratsuchenden ausbreiten. Doch was als theoretische Forderung so einfach klingt, wirft ein kaum lösbares praktisches Problem auf. Selbst wenn du Textmuster mit gleichartigen stilistischen Eigenschaften zu Gruppen zusammenstellen, bleibt der Stoff viel zu umfangreich, als dass er in einer Darstellung zum guten Deutsch erschöpfend behandelt werden könnte – zumindest in einer Darstellung, die in ihrem Umfang überschaubar bleiben soll.



Kommunikationsmaximen und Stillprinzipien

Nicht die fast unüberschaubare Zahl von Textmuster mit ihren jeweiligen stilistischen Besonderheiten wird ausgebreitet, auch nicht eine Auswahl dieser Textmuster. Stattdessen werden solche sprachlichen Erscheinungen behandelt, die immer eine Rolle spielen wenn es um gutes Deutsch geht, um zwar ganz unabhängig von konkreten Schreibanlass. Sie lassen sich ableiten aus grundsätzlichen kommunikativen Anforderungen hat der Logiker und Sprachphilosoph H. Paul Grace in einer Reihe von Maximen formuliert. Sie sind zwar recht allgemeiner Art, außerdem hat Grace bei ihrer Ausarbeitung gewiss nicht so Stillprobleme gedacht. Dennoch lassen sich ihnen Stillprinzipien zuordnen, die uns eine grobe Orientierung bieten, wenn wir uns gutes Deutsch bemühen.

Die erste Maxime bildet eine Art Generalklausel, der zufolge wir unsere Texte so schreiben sollen, dass sie den Anlass und Zweck unserer kommunikativen Bemühungen entsprechen. Schlichter formuliert heißt das Schreibe so, wie es sich gehört! Diese Forderung ist dir schon begegnet, als davon die Rede war, der Schreibanlass, der Adressat und das folgte Ziel böte den Maßstab für den Sprachgebrauch. Auch das Stillprinzip, das hier greift, wurde schon genannt: die Angemessenheit. Und zu diesem Stichwort wurde klargestellt: Angemessenheit zu reden, ist einfach konkret bestimmen, was Schreiber und Adresse als angemessen betrachten, ist dagegen ein schwieriges Geschäft.


Das Prinzip der Individualität betrifft Vorrang das Verhältnis zwischen dem Schreiber und seinem Text. Es geht darum, ob und in welchen Maß der Stil Ausdruck der Schreiberpersönlichkeit ist. Mit dem Stillprinzip der Verständlichkeit kommt dagegen das Verhältnis von Text und Adressat in den Blick. Die dazugehörige Maxime hält uns dazu an, so zu schreiben, dass unser Text für den Adressaten verständlich ist. Das liegt natürlich auch Interesse des Schreibers, denn der will ja den Leser etwas zu verstehen gegeben.


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